Selbsterfahrung mit Psychosen

Über das Buch „Anstöße. Zu einer anthropologischen Psychiatrie“ des Psychiatrie Verlages

Frau sitzt in einer Höhle und vergräbt ihren Kopf in den Händen

Im Buch „Anstöße. Zu einer anthropologischen Psychiatrie“ des Psychiatrie Verlages erzählt die Bildhauerin Dorothea Bock die Geschichte ihres Lebens mit Psychosen.

Aus ihren eigenen Erfahrungen heraus will sie dazu beitragen, psychotische Vorstellungen zu verstehen und sich auf sie einzulassen statt sie als psychopathologisch zu stigmatisieren und auf psychopharmakologische Behandlungen zu reduzieren.

Dorothea Bock wurde als viertes von fünf Kindern geboren und erlebte einen Vater, der seine Liebe ihrer jüngeren Schwester schenkte. Für sie selbst blieb nicht genug übrig. Ihr Bedarf an Zuneigung war nämlich größer als er ihr zu geben bereit bzw. fähig war.

Aus dem Gefühl, weniger geliebte zu werden, folgerte sie, weniger liebenswert zu sein. So überschattete in ihrer Kindheit ihr eigentlich fröhliches Wesen eine unbestimmte Traurigkeit.

Diese emotionale Mangelerfahrung, zu wenig bis keine Geborgenheit und menschliche Wärme erfahren zu haben, führte bei ihr zu aufgestauten Gefühlen. Im Alter von 18 Jahren kam es zum ersten von vier Schüben an psychotischen Vorstellungen, allesamt Inhalte aus ihrem Unbewussten, was sie aber erst später zu verstehen begann. Bis dahin begriff sie diese Vorstellungen als feste Überzeugung,  dass sie reale von außen kommende Wirklichkeit seien.

Dorothea Bock gelang es, sie zu hinterfragen und diese sich nicht verfestigen zu lassen, Ihr gelang es, sie auszuleben, um sich von ihnen lösen zu können.

Sie verstand ihre psychotischen Vorstellungen als gewaltsamen Aufbruch des eigenen Unbewussten, der eigenen Psychobiografie. Sie konnte sich vom Zwang ihrer Psychosen befreien und wieder selbstbestimmt denken und handeln.

Aufgabe der Pflegenden und Betreuenden ist, den Betroffenen zu helfen, ihr Leben aufzuarbeiten und dabei zu begreifen, dass ihre psychotischen Vorstellung ihrem Unbewussten entspringen und nicht von außen kommende reale Wirklichkeit sind. Das setzt voraus, dass Pflegende und Betreuende Psychosen nicht als unabänderliche Krankheitsbilder sehen.

Falls aber die psychotischen Vorstellungen schon zu verfestigt sind, dann muss mit den Betroffenen im Wissen um biografische Zusammenhänge wertschätzend umgegangen, ihr Schicksal quasi geteilt werden. Nur so können Verhaltensauffälligkeiten vermieden oder zumindest abgemildert werden.

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