So wollen wir „Aufholen nach Corona“ in Hoyerswerda

Medien und Miteinander - Digitale und analoge Welt im Einklang

Ein Mann und eine Frau im Gespräch am Tisch

Ohne WLAN geht gar nichts

Medienkonzept unterstützt Jung und Alt in der digitalen Welt

Drei Laptops am Küchentisch, eine Videokonferenz, die digitale Schulstunde und LernSax teilen sich die Aufmerksamkeit der Familie, die Internetverbindung verabschiedet sich, der Akku neigt sich dem Ende und der Stresspegel klettert nach oben – das war in den vergangenen Monaten Alltag im Zuhause vieler Familien, so auch in den Wohngruppen von Kinder- und Jugendheimen. „Wir haben in dieser Zeit mehr denn je gemerkt, dass wir in Sachen Technik, Internet und Medienerfahrung im Team etwas hinterherhängen. Vor allem WLAN war das große Thema bei uns, denn die Verbindung reichte nicht bis in alle Zimmer. Mit dem ‚Aufholen nach Corona‘-Programm bekamen wir endlich die Gelegenheit, unsere digitalen Schwächen anzugehen“, berichtet Julia Grenzemann, die stellvertretende Leiterin des Kinder- und Jugendzentrums Hoyerswerda. In der zum Kreisverband Lausitz e.V. gehörenden Einrichtung leben derzeit 53 Bewohner:innen zwischen 0 und 18 Jahren in Form einer stationären Unterbringung, die meisten in familienähnlichen Wohngruppen.

Eine von ihnen betreut Leon Mehrwald, der sich im Rahmen des Projekts gemeinsam mit einem weiteren Kollegen zum Medienberater weitergebildet hat. Als solche sind die beiden Schnittstelle zwischen den jungen Bewohner:innen und Pädagog:innen und geben das erworbene Wissen gern an ihre Kolleginnen und Kollegen aus den einzelnen Heimgruppen, der ambulanten Familienhilfe und Inobhutnahmestelle weiter. „Es ist super, dass unser Team so bunt gemischt ist. Von Anfang 20, direkt nach der Ausbildung, bis kurz vor der Rente ist alles dabei. Jeder hat andere Interessen und einen anderen Erfahrungsschatz, so ergänzen und unterstützen wir uns super gegenseitig“, gibt Leon Mehrwald Einblick in die Zusammenarbeit.

Auch der Impuls für die Erstellung eines Medienkonzeptes kam aus der Medienberater-Weiterbildung. „Die Fähigkeiten und das Nutzungsverhalten im digitalen Bereich sind bei den Kindern sehr unterschiedlich und vor allem in der Corona-Zeit war es herausfordernd, einheitliche Festlegungen für Nutzungsdauer, Art der Anwendungen etc. konsequent umzusetzen. Wir fanden es daher gut, eine gemeinsame Grundlage und allgemeine Regeln, festgeschrieben in einem Medienkonzept, zu erarbeiten. Das gibt den Kindern und Jugendlichen, aber auch den Kolleg:innen mehr Sicherheit“, fasst der frischgebackene Medienberater zusammen.

Vereinbarung für den Umgang mit digitalen Medien

 Zunächst haben sich die beiden Medienberater mit den einzelnen Teams und Kindern zum aktuellen Stand, Herausforderungen, Wünschen und Erfahrungen ausgetauscht. Es folgte eine Bestandsaufnahme, bei welcher in regelmäßigen Arbeitskreisen Bedarfe ermittelt wurden. Die Kolleg:innen diskutieren dies anschließend in ihrem jeweiligen Team und entwickeln gemeinsam Leitsätze für den Umgang mit Medien – daraus soll eine medienpädagogische Leitidee entstehen. Diese bildet die Grundlage für Handlungsempfehlungen – wie Strukturen, Regeln, Zeiten und Aufgabenverteilung – und ist damit eine Art interne Vereinbarung für die Heranwachsenden und das AWO-Erziehungsteam. „Zusätzlich können wir auf Basis des fertigen Medienkonzepts konkrete Angebote planen und umsetzen. Das können beispielsweise gemeinsame Film- und Spieleabende, selbst produzierte Radiobeiträge oder Videointerviews sein“, so der Erzieher. Nach einem halben Jahr wollen sie das Konzept und die Maßnahmen auswerten und bei Bedarf bestimmte Aspekte anpassen.

Zwei Bausteine des Medienkonzeptes hat das Team in Hoyerswerda bereits umgesetzt: einen Medienführerschein und einen Mediennutzungsvertrag. Ähnlich wie bei einem Fahrzeug müssen die Kinder einen Fragebogen zu den Themen digitale Medien, Datenschutz und Verhalten im Internet richtig ausfüllen. Nur mit bestandenem Medienführerschein bekommt das Kind ein eigenes Tablet oder Smartphone. Zusätzlich schließen die Kinder mit ihrer Heimgruppe beziehungsweise dem verantwortlichen Erzieher einen Vertrag ab. Dieser legt ihre persönlichen Nutzungszeiten fest, außerdem akzeptieren sie damit schriftlich, dass sie nur altersgerechte Angebote nutzen und ihre Daten nicht preisgeben.

Stabile Verbindungen

Neben dem Konzept ist die Beschaffung von notwendiger Technik beziehungsweise die Schaffung wesentlicher Voraussetzungen, wie WLAN, ein wichtiger Teil des Projekts. Nach langem Warten gibt es nun endlich eine stabile Internetverbindung in alle Zimmer der Hoyerswerdaer Wohngruppen. Und auch der regelmäßige Austausch ist für das Erziehungsteam ein Erfolgsfaktor für den gesunden Umgang mit digitalen Medien. „Wir prüfen natürlich vorher, ob die Altersempfehlungen für bestimmte Apps oder Spiele eingehalten werden. Wichtiger ist aber, dass wir mit den Kindern über ihre Erfahrungen sprechen und regelmäßig zusammen reflektieren, welche Apps wie genutzt werden, wie diese sich auf das Kind auswirken, welche Probleme auftreten“, erklärt Leon Mehrwald. So gibt es beispielsweise auch einen Kinderrat, in dem sich ein Kind aus jeder Wohngruppe einmal im Monat mit den Medienberater:innen trifft und über Wünsche, Bedürfnisse und Probleme spricht.

Kindern wie Erzieher:innen ist klar: Digitale Medien gehören zu ihrer Lebenswelt, und das nicht erst seit Corona. Neben Bildungs- und Lerninhalten nutzen die Kinder und Jugendlichen Smartphones und Tablets zum Musik hören, Filme schauen, Spiele spielen. Nichts davon ist per se schlecht oder schädlich für die Heranwachsenden, daher ist ein reflektierter, aufmerksamer und offener Umgang wichtig. Hierbei spielen auch die Bedürfnisse, Gewohnheiten und Fähigkeiten der Kinder eine Rolle. Umso wichtiger ist, dass die Erzieher:innen einen guten Überblick über den Medienkonsum der Gruppe haben und die Kinder gut kennen – ein offener, vertrauensvoller und regelmäßiger Austausch ergänzt das gemeinsam entwickelte Medienkonzept.

Was ist „Aufholen nach Corona“?

Über zwei Jahre lang litten vor allem die Jüngsten unserer Gesellschaft unter den pandemiebedingten Einschränkungen. Im Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ des Familienministeriums werden sie beim Aufholen von Lernrückständen und ihrem Weg zurück zu einem unbeschwerten Aufwachsen unterstützt.

Alle Fotos: ÖGrafik

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf  der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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