Das große Interview zum Abschluss des Projekts, dessen Träger die AWO Sachsen von 2011 bis 2024 war.
Warum wurde das Projekt gegründet?
Der Antrag für das Projekt wurde 2011 zum ersten Mal gestellt. Das Thema Demokratieförderung sollte stärker im Verband etabliert werden. Die AWO ist, wie andere Verbände auch, ein Spiegel der Gesellschaft und nicht gefeit vor menschenverachtenden Einstellungen und Diskriminierung. Deshalb sollte in den Kreisverbänden eine Bedarfsanalyse zu den Themen stattfinden, um passgenaue Angebote zur Sensibilisierung anzubieten.
Womit hat sich das Projekt zuletzt beschäftigt?
Im Jahr 2021 wurde auf der Landeskonferenz der Beschluss gefasst, Demokratieförderung als Querschnittsaufgabe zu etablieren. Ein Bestandteil der Arbeit war folglich Beratungen zu demokratiefördernden Themen, Moderation und Begleitung bei Veränderungsprozessen anzubieten.
Auch politische Bildung für Menschen mit Behinderung, vor allem zu den Wahlen, hat einen großen Teil der Arbeit eingenommen.
Im letzten Förderzeitraum haben zwei Ausbildungen zum/r verbandsinternen Berater:in nach systemischem Ansatz stattgefunden und es wurden viele Mitarbeiter:innen der AWO erreicht.
Das Projekt Mitwirkung gibt es bereits seit 13 Jahren. Was sind die größten Meilensteine, die erreicht wurden?
Der größte Meilenstein unserer langjährigen Arbeit sind die ausgebildeten Berater:innen, die in der AWO durch ihre Arbeit wirken. Unsere Ergebnisse und Erfahrungen sind in mittlerweile 4 Handreichungen festgehalten worden. Es haben viele Inhouse-Schulungen zur Sensibilisierung von Mitarbeitenden der AWO stattgefunden. So entstand eine erhöhte Sensibilität für Demokratie-Themen im Verband.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist seit Jahren die Politische Bildung für Menschen mit Behinderung, die in Workshops zu politischen Themen sensibilisiert werden und somit Teil haben an Entscheidungsprozessen, vor allem den Wahlen.
Auch bundesweit hat das Projekt einen entscheidenden Beitrag geleistet und im AWO Forum Demokratie des Bundesverbandes einen Grundstein zur weiteren Befassung mit dem Thema durch eine erarbeitete Checkliste gelegt. Diese diente als Vorlage für die bundesweite Praxissammlung „AWO leben“.
Was haben die 5 AWO Werte mit dem Projekt zu tun?
Die AWO Werte Toleranz, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind Grundpfeiler unserer Arbeit. Doch die Auseinandersetzung mit den Werten wird nicht immer widerspruchslos wahrgenommen, es benötigt regelmäßige Auseinandersetzung damit. Zudem gibt es eine enge Verknüpfung der Werte mit dem Anliegen des Projektes. Ziel ist es, dass die Werte im AWO-Alltag auch tatsächlich ge- und erlebt werden.
Seht ihr eine derzeitige Demokratiegefährdung in der Gesellschaft?
Wie wirkt sich diese auf das Projekt aus?
Das Vertrauen in demokratische Institutionen sinkt, Menschen fühlen sich abgehängt, nicht gesehen. Das ermöglicht ein Erstarken von rechten Positionen.
Die Wahlergebnisse von AfD und anderen rechten Parteien zeigen dies deutlich. Dazu kommen die Entwicklungen in Europa und der Welt.
Die AWO hat eine anwaltliche Rolle für Menschen in prekären Lebenslagen und somit auch die Verpflichtung, bei menschenverachtenden Einstellungen und Diskriminierung Hilfe anzubieten und Strategien vorzuhalten. Hier sind alle Menschen in der AWO gefordert. Das spiegelt sich aber auch in den Angeboten des Projektes wider.
Der Projekttitel lautet: MitWirkung – Gesellschaft gestalten durch Engagement und Beteiligung. Wie ist die Beteiligung am Projekt?
Unser Projekt beruht auf Freiwilligkeit. Wir arbeiten mit denen, die gerne mit uns arbeiten wollen. Das Projekt lebt von Beteiligung, nicht von vorgefertigten Rezepten. Das Erarbeiten von Angeboten lief zum großen Teil gemeinschaftlich mit den Einrichtungen und Kreisverbänden. Auch im Bereich Ehrenamt hat sich das Projekt eingebracht. Wir versuchen, Engagement zu fördern und Beteiligung zu ermöglichen.
Was für Schwierigkeiten seht ihr für das Projekt, durch derzeitige politische Unsicherheiten und dadurch entstehende finanzielle Probleme?
In vielen Bereichen der Demokratieförderung gibt es eine Unsicherheit in der Finanzierung. Kontinuität in dieser Arbeit ist immens wichtig, die durch die Unsicherheit in der Finanzierung gefährdet ist. Durch die politischen Kräfteverschiebungen steigt auch der Rechtfertigungsdruck, die Notwendigkeit von Förderung von Demokratiestärkung wird infrage gestellt. Ein ausstehendes Demokratiefördergesetz würde die Unsicherheiten verringern und Stabilität in die Arbeit vieler Träger in der Demokratiearbeit bringen.
Ihr habt demokratiefördernde Workshops durchgeführt. Was habt ihr durch diese schon bewirken können?
Wir haben eine Vielzahl an unterschiedlichen Angeboten in den letzten Jahren entwickelt und durchgeführt. Darunter die Moderation von Veränderungs-prozessen, Politische Bildung für Menschen mit Behinderung zu unterschiedlichen Themen, Inhouse Workshops in vielen Einrichtungen und mit unterschiedlichsten Zielgruppen. Dadurch konnte in vielen Fällen eine größere Sensibilität für das Anliegen „Demokratiestärkung“ erreicht werden. Insbesondere die Wahrnehmung und eine angemessene Reaktion gegenüber gruppenbezogener Menschenfeind-lichkeit und allen Formen von Diskriminierung durch Verachtung, Abwertung, Ausgrenzung und Verletzung stand dabei im Fokus. Und abschließend bleibt zu sagen: Demokratie ist eine Lebensform und muss sich im Alltag bewähren. Wir alle sind gefordert.
Die Fragen beantworteten Ulrich Karg, Projektleiter des Projekts MitWirkung und Sandra Olschewski, Projektkoordination