So wollen wir „Aufholen nach Corona“ in Breitenbrunn

Medien und Miteinander - Digitale und analoge Welt im Einklang

zwei Frauen sitzen am Tisch, die eine hört der anderen zu

Gemeinsames Basteln, Tischtennisturniere und Kochabende – Alltag im Freizeitzentrum „Phönix“ in Grünhain, mitten im Erzgebirge. Zumindest vor Corona. Nahezu täglich kommen Jugendliche nach der Schule, abseits vom Elternhaus, zusammen, um hier ihre Freizeit miteinander zu verbringen. „Es gibt Dinge, die können oder wollen die Kinder nicht mit ihren Eltern besprechen, sondern nur unter Gleichaltrigen oder mit außenstehenden Personen. Unsere Jugendclubs und Freizeitzentren wirken da wie ein Schutzraum, wo sie sich anders öffnen und austauschen können“, so Diana Tilp, seit über 20 Jahren als Pädagogin im Einsatz in verschiedenen Einrichtungen der AWO Erzgebirge gGmbH, so auch im „Phönix“.

Die durch die Pandemie notwendigen Kontaktbeschränkungen erschwerten diese soziale Funktion: Einzelspaziergänge mit den Pädagog:innen statt Gruppenangebote, digitaler statt analoger Austausch. Für die Kinder und Jugendlichen genauso eine Herausforderung wie für das ohnehin schon ausgelastete Fachpersonal in sozialen Einrichtungen. Neben Diana Tilp sind sechs Kolleg:innen sowie einige Ehrenamtliche im Jugend-Freizeitzentrum „Phönix“, in den Schulclubs in Schwarzenberg und Beierfeld und als Schulsozialarbeiter:innen in Schwarzenberg und Grünhain-Beierfeld für die Heranwachsenden da. Hier treffen oft viele Bedürfnisse und Extreme aufeinander, denen das Team gerecht werden will. Seit Corona ist neben diesem pädagogischen Anspruch auch die Vermittlung von Medienkompetenz ein wesentliches Ziel der Einrichtungen.

„Die Erfahrungen und Kompetenzen mit digitalen Medien sind in unserem Team sehr unterschiedlich“, berichtet Madeleine Sommer, die den Fachbereich Kinder, Jugend, Familien und Beratungsstellen innerhalb der AWO Erzgebirge gGmbH leitet. „Auf einmal sollten wie selbstverständlich Meetings digital stattfinden, dabei hatten viele von uns überhaupt keine Erfahrungen damit. Ganz zu schweigen von der benötigten Technik und dem Internetzugang. Es gibt Ecken im Erzgebirge da gibt es bei schlechtem Wetter nicht mal ein Signal.“ Um die Kinder und Jugendlichen trotz oder gerade in dieser schwierigen Zeit begleiten zu können, mussten Übergangslösungen gefunden und Brücken gebaut werden, um sie weiter am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. So entstand beispielsweise ein Instagram-Kanal des Freizeitzentrums, um die Heranwachsenden und deren Eltern auf dem Laufenden zu halten. Auch in den anderen Jugendeinrichtungen des Trägers wurden dahingehend Möglichkeiten des Kontakts über digitale Zugangswege geschaffen.

Ein neuer Status quo

Zu Beginn der Pandemie gab es für viele zunächst keinen geregelten Alltag mehr, Routinen mussten neu gefunden, verankerte Prozesse anders gedacht werden. Die Möglichkeiten digitaler Medien rückten stärker in den Mittelpunkt. Digitale Plattformen und Kanäle waren in dieser Zeit nahezu das einzige Mittel, um miteinander in Kontakt zu bleiben und am sozialen Leben, Schule und Arbeit teilnehmen zu können. Durch die Einschränkungen der Pandemie erhielten Medien damit einen ganz neuen Stellenwert. Und als stückweise die Normalität wieder zurückkehrte, war allen klar: Digitale Medien sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Denn gerade für Kinder und Jugendliche sind diese oft auch Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.

Das „Aufholen nach Corona“-Projekt ermöglichte dem AWO-Team eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik. „Ich habe mich im Rahmen des Projektes im Bereich Medienpädagogik weiterbilden können. Als interne Multiplikatorin kann ich dieses Wissen nun an meine Kolleg:innen weitergeben. Denn was digitale Medien angeht, sind wir alle gleichermaßen gefordert“, ist sich Diana Tilp sicher.

Die Entwicklung wird auch bei der täglichen Arbeit in den Einrichtungen spürbar. „Wir führen viele Tür-und-Angel-Gespräche mit Eltern, die oft noch unsicher sind mit der digitalen Medienwelt und dem Medienkonsum ihrer Kinder. Ich finde es ganz wichtig, dass sie sich offen damit auseinandersetzen, informieren und bei Bedarf Unterstützung holen“, so die interne Medien-Multiplikatorin. Denn ob pädagogische Inhalte und Angebote wie Lernvideos und -apps oder Kommunikationsplattformen wie WhatsApp und Instagram zur Informationsweitergabe – digitale Medien sind Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und damit auch von Pädagog:innen und Eltern, die Verantwortung dafür tragen, dass ihre Schützlinge einen gesunden Umgang mit diesen Angeboten erlernen.

Lern-Medien oder Medien lernen?

Dieser neue Alltag mit seinen neuen Möglichkeiten und Hürden sollte im pädagogischen Konzept der lokalen AWO-Einrichtungen seinen Platz finden und die analoge Welt sinnvoll mit der digitalen verknüpfen. Wichtige Themen wie Freundschaft, Empathie und soziale Kompetenz, die das AWO-Team den jungen Leuten vermitteln will, sollen, wo passend, im medialen Raum oder mittels neuer digitaler Angebote transportiert werden.

Dabei sind Medien zum einen Werkzeug beziehungsweise Methode zur Vermittlung pädagogischer Inhalte – wenn beispielsweise gemeinsam Videos entwickelt werden – und zum anderen der Inhalt selbst. So diskutieren die Kinder und Jugendlichen mit Diana Tilp und ihren Kolleg:innen die Gefahren im digitalen Raum, die Wirkung von Werbung und warum heutzutage so viele Kinder Influencer werden wollen. Dabei steht immer die soziale Komponente im Umgang und der Auseinandersetzung mit Medien im Vordergrund. „Wir sehen Medien als eine Sache, die das Lernen begleitet“, fasst die erfahrene Pädagogin zusammen. Auf diese Weise lernen die Kinder neben Medienkompetenz zugleich Fähigkeiten wie Bedürfnisaufschub, Perspektivenwechsel und Frustrationstoleranz.

Am Ende der Projektlaufzeit im Dezember 2022 entstand ein gemeinsamer Handlungsrahmen für alle Mitarbeiter:innen, ein Konzept als einheitliche Basis, um Berührungsängste zu nehmen und das Verständnis für diese – für viele noch neue – technologische Welt zu stärken. Doch damit ist es nicht getan, vielmehr dient dieser Handlungsrahmen als Ausgangspunkt für die kollektive Beschäftigung und Entwicklung im digitalen Bereich und soll fortlaufend fortgeschrieben werden. Und trotz all der Möglichkeiten und Verlockungen, die YouTube, Instagram und Co. bieten, bleibt für die Heranwachsenden das „echte“ soziale Miteinander wichtiger. „Egal wie intensiv ein Kind in sein Handy vertieft ist, wenn die anderen Kinder fragen, ob sie rausgehen und Roller fahren wollen, wird das Smartphone freiwillig zur Seite gelegt.“

Was ist „Aufholen nach Corona“?

Über zwei Jahre lang litten vor allem die Jüngsten unserer Gesellschaft unter den pandemiebedingten Einschränkungen. Im Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ des Familienministeriums werden sie beim Aufholen von Lernrückständen und ihrem Weg zurück zu einem unbeschwerten Aufwachsen unterstützt.

Alle Fotos: ÖGrafik

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf  der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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