Jugendarbeit = Demokratiearbeit? – Ein Blick in die AWO-Jugendprojekte in Brandis

Interview mit Projektleiterin Patricia Hartmann. Sie leitet das Jugendbüro Spoc.

In entspannter Atmosphäre diskutieren drei Jugendliche im Spoc

In Brandis wird seit Jahren einiges auf die Beine gestellt, um Jugendlichen mehr Mitsprache und Beteiligung zu ermöglichen. Wir als Arbeiterwohlfahrt sind dabei federführende Partnerin der Stadt. Unser jüngstes Projekt ist das Jugendbüro »Spoc«. Wir haben mit Projektleiterin Patricia Hartmann ein kurzes Interview geführt.

Was  ist das »Spoc« genau?

Mit dem Jugendbüro »Spoc«, im Zentrum der Stadt Brandis, soll Jugend in den Blickpunkt gerückt werden. Es bietet für alle Interessierten aus Brandis und Umgebung einen Raum, in dem Projekte, Events, Ausstellungen und jugendpolitische sowie jugendkulturelle Angebote realisiert werden können. Das »Spoc« hat sich etabliert als ein Ort der Selbstorganisation und von jugendlicher Vernetzung und Einmischung.

Welche Rolle spielen Sie dabei?

Ich bin Jugendkoordinatorin für das Projekt »Jugend bewegt Brandis« und Netzwerkstelle für die Stadt. Zu meinen Hauptaufgaben gehört die Förderung von Jugendbeteiligung im Ort. Ich vernetze schulische und außerschulische Akteur*innen sowie Vertreter*innen der Stadt hinsichtlich eines regelmäßigen Austauschs zur Situation junger Menschen. Zudem unterstütze ich die Jugendlichen bei der Planung und Organisation ihrer Vorhaben. Daneben bin ich als Beraterin und Coach für die Kindereinrichtungen in Brandis zuständig.

Wie ist das Projekt entstanden?

Die Stadt Brandis setzt auf eine aktive Kinder­ und Jugendarbeit. Sie möchte jungen Menschen Räume und Möglichkeiten der Mitbestimmung bieten und hatte mit dem Projekt »Jugend bewegt Kommune« in den Jahren 2014 und 2015 einen Anfang für mehr Beteiligung gemacht. Dieses Projekt wurde durch die Förderung der Aktion Mensch und der Stadt Brandis verstetigt. Seit 2016 gibt es einen festen Ansprechpartner für Kids und seit 2017 bin ich dabei. Wir haben in dieser Zeit aktiv jugendgerechte Formate angeboten, uns eingemischt, Veranstaltungen geplant und Jugendliche ermuntert, an Prozessen in ihrer Stadt teilzunehmen. 2019 entwickelten wir das Projekt weiter, was letztlich zur Eröffnung des Jugendbüros führte. »space of change«, kurz »Spoc«, soll tatsächlich ein Ort der Veränderung sein – mehr Mitsprache, mehr Austausch, mehr Aktionen. Bis Ende 2022 wird das »Spoc« gefördert durch die Deutsche Fernsehlotterie und die Stadt Brandis.

Spielt die Schulsozialarbeit und das Jugendhaus Mauerwerk bei der Jugendarbeit im »Spoc« eine Rolle?

Ja, gemeinsam mit den Fachkräften aus der Schulsozialarbeit und der offenen Kinder­ und Jugendarbeit werden Projekte organisiert. Für Events, Projekte und Workshops werden gern die großzügigen, jugendgemäßen Räumlichkeiten und das Freigelände vom Mauerwerk genutzt. Auch die Schulsozialarbeit ist teils bei der Umsetzung von Vorhaben involviert.  Darüber hinaus sind sie nah dran an Schule, Schüler*innen und Schülerrat und können als Netzwerker*innen agieren. Sie unterstützen uns bei der Suche nach neuen Mitgliedern.

Welche Auswirkung hat die Pandemie auf Ihre Arbeit?

Die »normalen« wöchentlichen Treffen mussten zeitweise eingestellt werden. Wir sind auf Online­Treffen ausgewichen, was gut funktioniert hat. In dieser Zeit haben die Jugendlichen neue digitale Formate entwickelt. Sie organisierten ein digitales Konzert mit Live­Stream auf Youtube mit Unterstützung des Landesfilmdienstes. Daneben organisierten sie einen Online­Argumentations-­Workshop gegen menschenverachtende Äußerungen sowie digitale Spielabende.

Klingt nicht, als hätte die Demokratiearbeit gelitten?

Durch die Pandemie sind wir thematisch auf den digitalen Argumentations­-Workshop gekommen. Ohne Corona hätte das Thema die Jugendlichen wahrscheinlich nicht bewegt. Dort ging es auch um Wissen zur Bildung von Verschwörungstheorien und gesellschaftlichen Zusammenhängen von Querdenkern und anderen Gruppen, die menschenverachtende  und antidemokratische Ideologien vertreten.

Erreicht das Jugendbüro auch benachteiligte Jugendliche?

Bis jetzt haben wir weniger die benachteiligten Kids erreicht. Es sind vor allem engagierte, junge Menschen zwischen 13 und 21 Jahren vom Gymnasium und der Oberschule. Vereinzelt sind auch noch Schulabgänger*innen aktiv. Oftmals sind diese auch im Schülerrat oder als Klassensprecher*innen tätig. Sie machen sich jedoch für die Belange von allen jungen Menschen stark und dienen als deren »Sprachrohr« bzw. Interessenvertretung.  Wir versuchen beim Werben neuer Mitglieder neben dem Schülerrat vor allem auch Schüler*innen aller Klassen anzusprechen und zu informieren, auch über die Projekte, Workshops usw.  Wenn Veranstaltungen im Mauerwerk stattfinden, werden Jugendliche direkt angesprochen, ob sie mitmachen wollen. Dies klappt nicht immer, ist aber teilweise auch schon gelungen.

Wer gehört zurzeit zum »Spoc«?

Die Gruppe umfasst zurzeit etwa zehn Mitglieder. Zudem beteiligen sich ab und an ein paar Schulabgänger*innen. Wir treffen uns einmal pro Woche, aktuell in der Schulzeit montags 14 Uhr. Die Kommunikation und Organisation läuft neben den Treffen im »Spoc« über Smartphone oder die digitale Parthecloud. Hier werden Projekte und Veranstaltungen geplant, die junge Menschen interessieren, z. B. im Bereich Kunst, Kultur, Umweltschutz, (Kommunal­)Politik und Demokratiebildung.

Was wurde bislang umgesetzt und welche Pläne gibt es noch?

In der Vergangenheit haben wir Open Stages (offene Bühne), einen Demokratie­ sowie einen Argumentationsworkshop durchgeführt. Einige Graffiti-Projekte, darunter die Entfernung rechter Schmierereien, aber auch eine Müllbeseitigungsaktion oder ein digitales Konzert sowie Spielabende gehören dazu. Wir haben auch Planungsworkshops zur Ausrichtung im »Spoc« organisiert. Ziel war und ist die Verbesserung von Beteiligung der Jugend in der Stadt, aber auch, möglichst viele junge Menschen zu erreichen. Die Stadt Brandis will die Innenstadt neugestalten und arbeitet dabei mit uns zusammen. Junge Menschen sollen aktiv einbezogen werden, Ideen entwickeln und umsetzen. Geplant sind Workshops zu Nachhaltigkeit, Graffiti-Workshops, ein kreatives Start-in-­den-­Herbst-­Event und die Gestaltung einer  Freifläche in Brandis für Jugendliche.

Wo wir aktiv sind in der Jugendarbeit

Die AWO Familienzentrum gGmbH ist Träger von fünf Kinder­ und Jugendhäusern mit unterschied­lichsten Konzepten und Ausrichtungen im Landkreis Leipzig. Das Netzwerk in Brandis nimmt dabei eine Sonderstellung ein.
Neben dem Freizeittreff Mauerwerk betreiben wir hier das Jugendbüro »Spoc«, die Schulsozialarbeit am Gymnasium und ab 2022 auch die Schulsozialarbeit  an der Oberschule.

 

Der Artikel stammt aus dem Regionalteil des AWO Kreisverband Mulde-Collm der meeting Ausgabe 2_2021.

Foto: In entspannter Atmosphäre wird im Spoc über Pläne diskutiert, aber auch einfach über die neuesten musikalischen Trends. Bild: AWO / Corinna Karl-Sander

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