VERRÜCKT? Wir versorgen die Falschen. Unser Problem sind die Normalen.

Buchempfehlungen "IRRE! Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen“ und „Neue IRRE!  Wir behandeln die Falschen“

ein Buch liegt aufgeschlagen in der Sonne

In seinen beiden Büchern „IRRE!  Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen“ und „Neue IRRE!  Wir behandeln die Falschen“ holt der Psychiater und Theologe Manfred Lütz psychisch kranke Menschen aus dem Ghetto der Psychopathologie, wonach die Ursache ihrer Krankheitsbilder allein im Absterben von Nervenzellen, in gestörten Neurotransmissionen, in Entzündungen im Gehirn usw. zu suchen sei.

Er verneint das Denkmodell der pathologisierenden Psychiatrie und das Bild vom von uns lebensweltlich ver – rückten und demzufolge nicht normalen Menschen im Sinne unserer kulturellen Auffassung von Normalität.

Manfred Lütz hinterfragt unsere gesellschaftliche Normalität und ihren Einfluss beispielsweise  auf die Lebenswelten von Betroffenen mit Depressionen oder Psychosen.

Bezogen auf die Depression heißt das, dass der Sinn dieser psychischen Erkrankung im sozialen Selbstschutz zu finden ist. Depressiv veranlagte Menschen sind sensible Menschen. Unsere Leistungsgesellschaft, die Durchsetzungswillen verlangt, überfordert sie. Sie fühlen sich nicht in der Lage, den Anforderungen und Erwartungen unserer Normalität zu entsprechen.

Ihnen fehlt ein entsprechend notwendiges Selbstwertgefühl.  Sie fühlen sich ausgeliefert, unzulänglich und fremdbestimmt. In ihrer Wahrnehmung erleben sie sich als Erfolglose, schämen sich, bremsen sich selbst aus und gleiten ab in das tiefe dunkle Loch der Depression, die ihrer Verletztheit Schutz nach außen und innen geben soll.

Psychosen haben vielfältige Ursachen und Symptome. Besonders anfällig sind ebenfalls sensible und dünnhäutige Menschen.

Unser gesellschaftlicher Zwang nach persönlicher Darstellung überfordert sie auf ihrer ewigen Suche nach dem eigenen Ich. Verzweifelt ringen sie um ihre Identität und ihr Subjektsein. Dabei suchen sie eigensinnig das Mögliche hinter dem Möglichen, blenden die reale Lebenswirklichkeit aus und verlieren sich in Psychosen.

Diese Menschen als lebensweltlich von uns fortgerückt, verrückt und nicht normal zu betrachten hieße, sie zu stigmatisieren und auszugrenzen.

Aufgabe in Pflege und Betreuung ist aber, dies zu verhindern, ein menschliches Bild zu wahren und Inklusion zu leben.

Psychisch erkrankte Menschen müssen ihre Andersheit wertgeschätzt erfahren.

Sie müssen sich in ihren Lebenswelten angenommen fühlen. Ihr  Subjektsein muss bewahrt bleiben, indem auf ihre Ressourcen orientiert wird.

Scham bei der Depression und Eigensinn bei der Psychose dürfen nicht als Makel und Störfaktoren gelten, sondern als Fähigkeiten der Betroffenen, das eigene Leben zu leben.

Für einen inklusiv guten Umgang mit ihnen kann hilfreich sein, einmal die eigene soziale Normalität in eine andere Perspektive zu stellen, also in Anwendung der Methoden Selbstreflexion, Selbstdistanzierung und Fremderfahrung die eigene Lebenswelt aus der Perspektive psychisch veränderter Lebenswelten zu betrachten.

Mit anderen Worten: Im Sinne von Manfred Lütz das, was das Eigene ist als fremd, und das, was das eigentlich Fremde ist als das Eigene zu reflektieren, also psychisch veränderte Lebenswelten als normal und unsere eigene Lebenswelt und Gesellschaft als psychopathologisch wahrzunehmen.

Eine derartige Perspektivumkehr ist für die eigene seelische Gesundheit und eine erfolgreiche inklusive Arbeit sehr zu empfehlen.

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