Der sich und Andere verletzende Mensch

Wie ist der Weg vom menschlichen Irrtum hin zur Schizophrenie? Wie sehen die Lebenswege aus, die zu Lebenswelten führen, welche subjektive Wirklichkeiten weit ab unserer realen Welt beinhalten?

menschlicher Kopf mit einem leuchtenden Gehirnnetz

Der Mensch an sich besitzt natürliche Fähigkeiten, so die Fähigkeit zur Selbstreflexion und damit zu zweifeln und zu verzweifeln, was Depressionen auslösen kann. Seine Fähigkeit zu denken und gleichzeitig, sich im Denken verlieren zu können, kann zu Psychosen führen.

Insofern beinhaltet die Fähigkeit zum Denken auch Denkfehler und negative Denkmuster. Schussligkeit, Vergesslichkeit, Irrtum, zeitweilige konkrete Desorientierungen usw. sind menschlich und keine Krankheiten. Sich im Denken zu verlieren kann aber zu psychischen Krankheiten führen bis hin zur schizophrenen Psychose als der schwersten Form psychotischer Krankheit.

Wie ist also der Weg vom menschlichen Irrtum hin zur Schizophrenie?  Wie sehen die Lebenswege aus, die zu Lebenswelten führen, welche subjektive Wirklichkeiten weit ab unserer realen Welt beinhalten?

Zur Beantwortung dieser Fragen empfiehlt sich das Lehrbuch „Irren ist menschlich“ aus dem Psychiatrie Verlag.

Darin ist das Kapitel zu schizophrenen Psychosen überschrieben mit „Der sich und Andere fügende Mensch“, heißt, der sich und  Andere verletzende Mensch.

Schizophrene Störungen entstehen vor allem in der Adoleszenz, also in der Entwicklungsphase, in der Kinder zu selbständigen Erwachsenen werden. In dieser Zeit steht die Herausforderung, sich von bisherigen sozialen Strukturen wie dem Elternhaus und der Schule zu lösen, für sich neue soziale Strukturen zu finden und sich dort einzubringen.

Genetisch – biochemische sowie psychosoziale und soziokulturelle Faktoren können aber in ihrer wechselseitigen Kombination dazu führen, dass diese Entwicklungsaufgabe scheitert, es zu einer Konfrontation der eigenen subjektiven Welt mit der Realität der äußeren Welt kommt. Betroffene Menschen, welche den Blick auf die reale Welt aufgegeben und verloren zu haben scheinen, werden dabei selbst extrem verletzbar und zu Anderen sehr verletzend.

Versagende Problemlösungsprozesse führen zu einem negativen Selbstbildnis und zu einem unrealistischen Weltbild; Denkabläufe, Wahrnehmungen und Gefühle können beginnen, in biografieabhängiger psychotischer Form bis hin zur Schizophrenie aufzutreten.

Für die Pflege und Betreuung bedeutet es zu wissen, dass es nicht die Schizophrenie gibt. Jeder Betroffene entwickelt seine eigene Schizophrenie. Insofern muss der Umgang mit ihnen immer biografieorientiert sein. Gewusst werden sollten die Ursachen, warum die Adoleszenzphase misslang und zur Schizophrenie führte, die als subjektive Wirklichkeit anerkannt und wertgeschätzt werden muss. Diese subjektive Wirklichkeit durch eine Konfrontation mit der realen Wirklichkeit verändern zu wollen oder sie nur zum Scheine zu akzeptieren wird in jedem Fall scheitern und zu Verhaltensauffälligkeiten führen.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Johannes Richter
    18. Februar 2024 10:42

    Als ich noch Leiter des AWO Gerontopsychiatrischen Pflegeheimes“Marie Juchacz“ war, hatten wir eine Bewohnerin, die nach fachärztlicher Diagnose eine paranoide Schizophrenie aufwies.

    So kam sie machmal zu mir ins Büro und fragte mich aufgeregt und fordernd, ich solle ihr endlich sagen, wer sie eigentlich sei.
    In unserem alten Haus bis 1999, in dem die Fenster noch nicht verschließbar waren, sprang sie einmal aus dem Fenster und zog sich mehrere Frakturen zu. Sie glaubte, dass der in ihr Zimmer kommende Pfleger sie vergiften wolle.

    In Gesprächen mit mir meinte sie, dass sie ein ungewolltes Kind sei und dadurch ein „Innen – Außen – Problem“ entwickelt habe.
    Zu dieser Erkenntnis sei sie durch ihr Medizinstudium gekommen.
    Sie habe innere Fragen, die ihr wichtig seien, die sie aber nicht beantworten könne, was sie schmerze und rasend mache. So die Frage, wer sie eigentlich sei, und welche Rolle sie in dieser für sie unheimlichen Welt spiele.
    Trotz Studiums blieb ihr unklar, ob sie als Person wichtig sei oder nur eine Randerscheinung, ein ungewolltes Kind halt.
    Diesen Vorwurf hatten ihre Eltern ihr gemacht, damit die Entfaltung ihres Selbstwertgefühls von vorn herein erstickt und ihr paranoides Seelenleben befördert.

    Ihre inneren Probleme trug sie nach außen, um sie auf dieser Ebene zu lösen, was ihr gleichfalls nicht gelang. Im Gegenteil.
    Aus einem eigentlich normalen und gesunden Misstrauen hatte sich bei ihr eine Angst herausgebildet, dass das soziales Umfeld ihr absichtlich und böswillig Schaden zufügen wolle.
    Diese Angst formte sich zu einem paranoiden Bedrohung- und Verfolgungswahn aus.
    Um dieser extremen seelischen Belastung auszuweichen, meide sie andere Bewohnerinnen und Bewohner und nehme an keinen Betreuungsmaßnahmen teil. Pflegende betrachte sie als milde bis immense Bedrohung.

    Antworten

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