Menschen aus dem Autismusspektrum entsprachen nicht dem rassistischen Menschenbild im Nationalsozialismus und wurden im Rahmen der Euthanasieprogramme systematisch ermordet.
Heute wird Autismus als Variation neuronaler Diversität mit einem ausdifferenzierten Spektrum von Beeinträchtigungen verstanden.
Als Variation, weil beispielsweise die für Autismus charakteristische Minderung von Aktivitäten in Gehirnregionen wie dem Mandelkernkomplex die emotionale Entwicklung beeinträchtigt, was zu den bekannten Problemen im sozialen Miteinander führt. Dadurch sind autistische Menschen aber weniger bis nicht empfänglich für emotionale Einflüsse auf ihr Denken, was befördert, dass sie in der Regel in der Lage sind, sich hochkonzentriert auf Details zu fokussieren.
Ihre Fähigkeit, zuerst die Teile eines Ganzen wahrzunehmen, sich aufmerksam darauf zu konzentrieren und dabei Emotionen auszublenden, ist eine ihrer Begabungen.
Insofern stellt die Überzeugung einen fundamentalen Wertewandel dar, dass Autistinnen und Autisten nicht minderwertig, nicht unerwünscht und nicht nicht normal sind, sondern einfach nur anders begabt. Diese Begabungen gilt es gesellschaftlich anzuerkennen, zu fördern und zu nutzen.
Insofern stellt das Wissen einen fundamentalen Wertewandel dar, dass autistische Menschen mit ihren besonderen Talenten inklusiv in das gesellschaftliche Leben eingebunden werden können, dass es auch mit ihnen möglich ist, gemeinsam verschieden zu sein in Form der Gleichbehandlung Ungleicher.
Insofern ist es an der Zeit, sich mit autistisch veränderten Menschen im Alter zu beschäftigen, mit ihren altersbedingten Problemen und Anforderungen.
Zum Autismus hat sich die Sozialpädagogin Christiane Arens – Wiebel verdient gemacht. Sie arbeitete 39 Jahre im Autismus Bremen e. V. als Therapeutin, Leitung und Fortbildnerin. Ihre Erfahrungen sind nachzulesen in ihren Büchern, so in „Erwachsene mit Autismus begleiten“, das 2021 im Verlag Kohlhammer erschienen ist. In diesem Buch widmet sie sich auch den Schwerpunkten „Autismus und Alter“ sowie „Autismus und Demenz“.
Wie muss man also mit Menschen aus dem Autismusspektrum umgehen, die pflegebedürftig und demenziell erkrankt sind?
Wie muss man beispielsweise damit umgehen, dass viele Autistinnen und Autisten eine taktile Wahrnehmungsstörung besitzen, körperliche Berührungen als unangenehm empfinden und ablehnen?
Wie kommuniziert man mit ihnen, für die soziale Interaktionen wie ein Spiel erscheinen, dessen Regeln sie nicht nachvollziehen können?
Wie kommuniziert man mit ihnen, wenn die Komplexität der Interaktionen aus Sprache, Tonfall, Gestik und Mimik sie überfordert?Gleichzeitig auftretenden Sinneseindrücken sind sie meist hilflos ausgesetzt.
Wie geht man mit ihnen um, denen starre Rituale und Routinen sowie feste Ordnungen extrem wichtig sind, weil sie ihnen existenzielle Sicherheit und Vorhersehbarkeit bieten, den Ansturm ihrer Umwelt mit Neuem reduzieren?
Herzliche Einladung an alle Mitarbeiter:innen in Pflege und Betreuung, die bereits praktische Erfahrungen sammeln konnten, diese hier zu teilen.
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Siehe ARD Mediathek „Autismus – Eine Welt für sich“ unter „Tipps & Links“
Unter „Tipps & Links“ ist ebenfalls eine Diskussion zu finden zum Thema „Autismus – eine besondere Form des für sich Seins“.
Darin wird Autismus als Ausdruck von Neurodiversität verstanden, also als Teil einer neuen Normalität in Form von neuronaler Vielfalt und Inklusion statt Ausgrenzung und Stigmatisierung als Störung.