So wollen wir „Aufholen nach Corona“ in Görlitz

Sicher digital kommunizieren - App für Jugendhilfebereich startet in Görlitz

eine Gruppe von fünf Menschen lachend am Tisch

Unsicherheit, ob der nächste Hausbesuch überhaupt stattfinden kann, eingeschränkte Austauschmöglichkeiten, ein Spagat zwischen Gesundheit, Verantwortung und Fürsorgepflicht – Corona hat die Sozialarbeit in den vergangenen drei Jahren vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Auch die AWO-Einrichtungen in der Oberlausitz mussten aufgrund der pandemiebedingten Schutzmaßnahmen oft neue Lösungen und Möglichkeiten der Kommunikation finden. „Um in dieser Zeit mit den von uns begleiteten Jugendlichen beziehungsweise ihren Familien in Kontakt zu bleiben, sind viele mangels besserer Alternativen auf einen digitalen Messenger-Dienst ausgewichen“, erklärt Markus Neuwinger, Fachbereichsleiter Kinder, Jugend & Familie vom AWO Kreisverband Oberlausitz e.V. und Leiter der Sozialpädagogischen Tagesgruppe „Sprungbrett“. Diesen, häufig bereits privat genutzten, digitalen Kommunikationskanal auch für den beruflichen Austausch zu nutzen, schien der schnelle und einfache Weg zu sein. Allerdings gab es bei nahezu allen dieser Kommunikationsanwendungen oft erhebliche Datenschutzbedenken. „Im Umfeld der Sozialgesetzgebung sind personenbezogene Daten besonders schutzbedürftig. Wir brauchten daher eine datenschutzkonforme Nachrichten-App, angepasst für den Bereich der Jugendhilfe sowie orientiert an der Lebensrealität der Adressaten“, beschreibt der Fachbereichsleiter die aus der Problemsituation entstandene Handlungsidee.

Die Chancen der Krise nutzen

Durch die Wellen der Corona-Pandemie wurden alle öffentlichen und sozialen Bereiche, vor allem was digitale Kommunikation anging, massiv herausgefordert. „Wir haben den akuten Bedarf gesehen und wollten aus den Erfahrungen der Pandemie lernen. Also haben wir die Initiative ergriffen, uns für das ‚Aufholen nach Corona‘-Projekt beworben und hatten Glück. Dank der bereitgestellten Mittel konnten wir das Thema sichere digitale Kommunikationsplattform endlich angehen. Nun sind wir deutlich besser vorbereitet und aufgestellt.“

So hat das Team in Görlitz zunächst Apps von verschiedenen Herstellern auf ihre Passfähigkeit, Datenschutzanforderungen und Nutzerfreundlichkeit getestet. Gewinner der Vorauswahl war das junge Start-up-Unternehmen InstiKom aus Würzburg, das bereits Kommunikationsapps für den Kita- und Seniorenhilfebereich entwickelt hat. Dieses Fundament galt es nun an die Anforderungen der Jugendhilfe anzupassen – datenschutzkonform und möglichst nah an den Gewohnheiten der Nutzer:innen. „Dazu habe ich eine Mitarbeiterin aus der Tagesgruppe und einen Kollegen aus der ambulanten Hilfe gewinnen können, um verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen. Außerdem hatten wir mit Bruno Matschiner vom Deutschen Kinderschutzbund Görlitz einen erfahrenen und im digitalen Bereich der Kinder- und Jugendarbeit sehr versierten Kooperationspartner an Bord, der uns beratend zur Seite stand“, so Markus Neuwinger, der im Projekt für die fachliche Umsetzung und Implementierung der App in den Alltag zuständig war. Neben der Einführung der Kommunikationsapp konnte im Rahmen von „Aufholen nach Corona“ die technische Ausstattung ergänzt und mobile Endgeräte für die Einrichtungen angeschafft werden.

Start des Pilotprojektes

Gestartet wurde mit der Entwicklung einer Chat-, Sprach- sowie einer Übersetzungsfunktion. Jugendliche, Pädagog:innen und erziehungsberechtigte Personen, die über die App kommunizieren möchten, bekommen dazu zunächst einen individuellen Code. Teilen sich zwei Personen diese Schlüssel gegenseitig mit, können sie über die digitale Anwendung, unabhängig von Zeit und Ort, Informationen austauschen. Auf diese Weise bleiben die persönlichen und geteilten Daten sicher. Für Träger, Mitarbeitende und Klient:innen gibt es zudem verschiedene Rollen mit entsprechenden Zugriffsrechten, und Funktionen, damit jede:r die App für seine Zwecke zugeschnitten nutzen kann. Zudem entscheiden die Nutzer:innen aktiv, was mit ihren Daten passieren darf und was nicht.

Nach der Programmierung durch den externen IT-Dienstleister wurde die App über mehrere Wochen in der Tagesgruppe „Sprungbrett“ und in einer ambulanten Einrichtung auf Herz und Nieren getestet. Für die Mitarbeitenden der ambulanten Hilfe ist Kommunikation besonders wichtig, da diese regelmäßig zu den Familien nach Hause gehen, wodurch viel Organisation und Abstimmungsbedarf mit Eltern und Heranwachsenden notwendig ist. In Zeiten von Corona war hier also ein unbedenkliches digitales Kommunikationsinstrument so nötig wie noch nie. In der Sozialpädagogischen Tagesgruppe „Sprungbrett“ wurde durch die App der Austausch zwischen den Jugendlichen, deren Eltern und ihrer jeweiligen Bezugsperson aus dem AWO-Team vereinfacht. „Bei der Entwicklung haben wir vor allem auf Nutzerfreundlichkeit Wert gelegt, denn nur wenn sie einfach und selbsterklärend funktioniert, wird sie auch akzeptiert und regelmäßig genutzt“, erklärt der Leiter der Tagesgruppe. Auch die durch die App ermöglichte Trennung von beruflicher und privater Kommunikation war, neben der Sicherheit der Daten, eine wichtige Motivation für die Einführung der Kommunikationsplattform.

Nach der Testphase wurde das Feedback der beiden Teams gesammelt und Anpassungen und Nacharbeiten in der Programmierung der App vorgenommen. Nun können auch die anderen Oberlausitzer Einrichtungen die App nutzen, darunter die stationäre Hilfe Zittau, die zwei Erziehungsberatungsstellen in Löbau und Görlitz, wie auch die Familienbüros Satellit und Mosaik. Um die Kolleg:innen bestmöglich bei der Anwendung der App zu unterstützen, gibt es Einführungsworkshops, Webinare und Erklärvideos. Zudem finden regelmäßige Austauschrunden statt, welche von Markus Neuwinger und seinem Team durchgeführt werden. Die App kann je nach Bedarf der Einrichtung um zusätzliche Module, beispielsweise Terminvergabe, Videokonferenz, digitale Verwaltung oder Unterzeichnung von Dokumenten, erweitert werden. „Mit der App wollen wir den Weg in die zukunftsorientierte Sozialarbeit ebnen und langfristig ein Instrument bereitstellen, das bei verschiedenen Aufgaben der Jugendhilfe unterstützen und strukturell entlasten kann“, fasst der Fachbereichsleiter das Potenzial zusammen, das perspektivisch auch trägerübergreifend seine positive Wirkung in den verschiedenen Bereichen entfalten kann. Das Pilotprojekt könnte künftig eine Vorbildwirkung für alle Teilbereiche der Jugendarbeit und Jugendhilfe haben.

Kontakt

Der AWO Kreisverband Oberlausitz lädt alle interessierten Fachkollegen:innen, auch trägerübergreifend, zu einem Austausch über Ereignisse und Erfahrungen bezüglich dieses Modelprojektes ein. Bei Interesse melden Sie sich gern bei: Markus Neuwinger, 03581 464 161, m.neuwinger@awo-oberlausitz.de.

Was ist „Aufholen nach Corona“?

Über zwei Jahre lang litten vor allem die Jüngsten unserer Gesellschaft unter den pandemiebedingten Einschränkungen. Im Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ des Familienministeriums werden sie beim Aufholen von Lernrückständen und ihrem Weg zurück zu einem unbeschwerten Aufwachsen unterstützt.

Alle Fotos: ÖGrafik

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf  der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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