Seit Februar 2020 hat die Covid-19- Pandemie die Gesellschaft stark im Griff. Die damit verbundenen staatlichen Maßnahmen wirken sich auf fast alle Lebensbereiche der Menschen aus. Richtet man den Blick auf die Kinder und Jugendlichen in unserem Land, wird erkennbar, dass die Maßnahmen, wie z. B. die Schließungen der Kitas und Schulen ab Mitte März 2020, der eingeschränkte Kontakt zu Angehörigen und Freunden sowie die Durchführung gewohnter Freizeitaktivitäten sich deutlich auf das Leben der jungen Menschen auswirken. Diese kritischen Lebensereignisse können zu psychischen Problemen führen (Reiss et al., 2019). Die im November 2020 veröffentlichte COPSY-Studie des Universitätklinikum Hamburg-Eppendorf skizziert erste Ergebnisse zur Auswirkung auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während dieser Zeit. Demnach fühlen sich »zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen […] durch die Corona-Krise belastet.« (Kaman et al., 2020). Psychische Auffälligkeiten haben zugenommen und die Kinder und Jugendlichen leiden vermehrt unter Ängsten. Auffällig ist, dass Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligen Familien besonders unter der Situation leiden (ebd).
Um die Auswirkungen dieser Veränderungen im Bereich der psychischen Gesundheit für Kinder und Jugendlichen abzumildern, bedarf es sozialer, familiärer und personeller Ressourcen. Diese sind allerdings ungleich verteilt, weshalb durch die Kinder- und Jugendhilfe ein Unterstützungssystem geschaffen wurde. Im Zuge der Digitalisierung, der Etablierung der Lernplattform Lernsax u. a. sollte den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, weiter- hin am Schul- und Unterrichtsgeschehen teilzunehmen. Die Möglichkeit, jederzeit auf Unterrichtsinhalte zugreifen zu können, jederzeit erreichbar zu sein und neue Inhalte hochzuladen, auch nach »Unterrichtsende« und an Wochenenden, fordert von den Beteiligten Flexibilität und erhöhte Aufmerksamkeit. Dies birgt die Gefahr, dass sich der Wirkungskreis der Kinder- und Jugendlichen noch mehr ins häusliche Umfeld verlagert, da soziale Kontakte eingeschränkt und schulische Belange sowieso digital besprochen und bearbeitet werden.
Die Schulsozialarbeit des AWO Leipziger Land e. V. ist in der Paul-Guenther-Gesamtschule Geithain jeweils mit einer Stelle an der Grund- und Oberschule durch Sophia Schulze und Nico Richter vertreten. Zudem ist die Leiterin des Schulclubs »Underground«, Mandy Schalinske, Ansprechpartnerin für die Schülerinnen und Schüler.
In der momentanen Lage, in Anbetracht der erschwerten Zugangsbedingungen, stellt sich die Frage, wie Schule und Schulsozialarbeit die Klientel darin unterstützen können, gerade diesen Singularisierungsprozessen entgegenzuwirken. Aufgrund des eingeschränkten Schulbetriebs und der Kontaktbeschränkungen mussten alternative Kommunikationswege ausgebaut werden.
Dies gestaltete sich im Bereich der Schulsozialarbeit an der Grundschule eher schwierig. Nach Rücksprache mit den Lehrer*innen der Grundschule wurde deutlich, dass die Zugänge der Kinder zu Medien- und Lernplattformen meist nur mit Begleitung und Unterstützung der Eltern möglich waren. Kontakt zu den Eltern wurde telefonisch gehalten. Bei der Etablierung der Lernplattform Lernsax erhielten die Lehrer*innen Unterstützung seitens der Schulsozialarbeiterin. Zudem initiierte und begleitete Frau Schulze die pädagogische Ausgestaltung eines Lehrvideos und die Erstellung dessen. Im Falle einer drohenden Kindeswohlgefährdung ist hier die Interaktion vor allem mit den Elternteilen auf telefonischen Kontakt beschränkt, was die Zusammenarbeit erschwerte. Mit erneutem Beginn des eingeschränkten Regelbetriebs der Grundschule gestaltete sich der Zugang zum freiwilligen Angebot der Schulsozialarbeit unter Einhaltung aller Hygienemaßnahmen, wieder offener.
Im Bereich der Schulsozialarbeit der Oberschule gelang es Herrn Richter während des zweiten Lockdowns, Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern über Lernsax zu halten. Bei Fragen und Problemen konnten die Jugendlichen den Schulsozialarbeiter über verschiedene Medienkanäle erreichen (Telefon, E-Mail, Lernsax). Die Herausforderung des dennoch eingeschränkten Zugangs und Kontaktes zu den jungen Menschen wurde auch hier deutlich. Um Präsenz zu verstärken und das Angebot der Schulsozialarbeit während dieser Zeit aufrecht zu erhalten, initiierte Herr Richter einen Fotowettbewerb zum Thema »Lockdown und Faszination Natur«, der eine große Resonanz bei den Jugendlichen erzeugte. Ziel dabei war es u. a., Kontakt zu den Schülerinnen und Schüler verschiedener Klassenstufen wiederaufzunehmen und/oder zu erhalten.
Über aufgenommene Tutorials unterstützte Herr Richter bei der Einführung in digitale Lernplattformen sowohl Schülerinnen und Schüler als auch das Lehrerkollegium. Zukünftig möchte er das Angebot der terminierten Onlineberatung für Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer etablieren.
Als der Schulclub im ersten Lockdown schließen musste, stellte dies Mandy Schalinske vor große Herausforderungen. Seit über 16 Jahren betreut sie Kinder und Jugendliche ab Klasse 5 im Schulclub an der Paul-Guenther-Oberschule Geithain. Gemeinsame Erlebnisse schaffen, miteinander und voneinander zu lernen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialem Hintergrund, darum ging es bei Bastelangeboten, gemeinsamen Kochstunden, Ausflügen und Projekten. Neue Ideen mussten entworfen werden, um in Kontakt zu bleiben. Um soweit wie möglich Normalität in den neuen Alltag der Mädchen und Jungen zu bringen, wurden einfache Anleitungen, beispielsweise das Nähen von Alltagsmasken, Schritt für Schritt fotografiert und als Basteltipps auf privaten Social-Media-Seiten veröffentlicht. Außerdem gab es Aufrufe, wie das Schmücken der Bäume und Sträucher in Geithain mit selbstgestalteten Ostereiern. Eine große Herausforderung war dabei, dass einige Kinder und Jugendliche zu dieser Zeit keinen oder nur begrenzten Zugang zum Internet hatten.
Bei der ersten Lockerung des Lockdowns konnten Schüler und Schülerinnen den Schulclub wieder besuchen. Durch notwendige strenge Hygiene-und Abstandsregeln war die Teilnehmendenanzahl stark begrenzt und die Sorge groß, den Kontakt zu einigen Kindern und Jugendlichen zu verlieren. Eine große Erleichterung schaffte das Angebot der Oberschule, die kostenloses Internet für alle zur Verfügung stellte. Um für einen erneuten Lockdown besser vorbereitet zu sein, nutzte Mandy Schalinske den Sommer, um Telefonnummern auszutauschen, die Vernetzung zwischen den Mädchen und Jungen zu fördern und sich von technikerfahrenen Besucher*innen alle Tipps und Tricks anzueignen, um digital fit zu werden.
Seit dem zweiten Lockdown ist der Schulclub wieder geschlossen. Sporadisch werden Basteltipps auf Social Media veröffentlicht, doch der Großteil der Kommunikation findet über digitale Gruppen statt. Täglichen Kontakt mit vielen Kindern und Jugendlichen ermöglicht ein Smartphone-Spiel, bei dem von zu Hause aus in gemeinsamen digitalen Gruppen kleine Monster gefangen, trainiert und getauscht werden können. War dieses Spiel 2016 als Motivation zu gemeinsamen Erkundungstouren gedacht, wurde dies während der Covid-19-Pandemie so verändert, dass gemeinsames Spielen jetzt kontaktlos möglich ist. Obwohl es natürlich kein Ersatz für den persönlichen Kontakt darstellt, verhindert es einen kompletten Kontaktabbruch und weckt die Vorfreude auf Lockerungen.
Die Mädchen und Jungen planen schon heute ein großes Fest auf dem Schulhof, wenn Corona vorbei ist. Wenn nicht in diesem, dann hoffentlich im nächsten Jahr.
Trotz aller Einschränkungen, die mit der Covid-19-Pandemie einhergehen, zeigt die Resonanz der jungen Menschen, dass die Angebote der Schulsozialarbeit und die des Schulclubs weiterhin in Anspruch genommen werden. Dennoch wird deutlich, dass wider aller Bemühungen auf verschiedenen Ebenen die Digitalisierung noch nicht sämtliche Bedarfe deckt und somit auch nicht alle Zielgruppen erreichen kann. Um dies zu ermöglichen, sind verstärkt Initiative, technische Grundlagen, einheitliche Systeme und individuelle Bereitschaft sowohl bei den Institutionen als auch im häuslichen Umfeld der Kinder und Jugendlichen erforderlich.
Aus sozialpädagogischer Sicht, anknüpfend an die COPSY-Studie, ist es unheimlich wichtig, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen in diesen unsicheren Zeiten nicht allein lassen und sobald es wieder möglich ist, den direkten Kontakt weiter pflegen. Denn trotz aller Chancen kann die Digitalisierung das persönliche Face-to-Face-Gespräch nicht ersetzen.
Autor*innen: // Sophia Schulze, Schulsozialarbeiterin Grundschule Geithain // Nico Richter, Schulsozialarbeiter Oberschule Geithain // Mandy Schalinske, Schulclub Geithain
Der Artikel stammt aus dem Regionalteil AWO Kreisverband Leipziger-Land vom Mai 2021